Interview mit Matthias Krapf, Head of Digital Moser Holding (Tiroler Tageszeitung)

 

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Mit welcher Erwartungshaltung oder Hoffnung haben Sie sich zur Teilnahme an Table Stakes Europe entschieden?

Ich hatte im Hinterkopf, dass es nicht um große Worte oder die Strategie von 2028 geht, sondern sehr konkret und schnell zur Frage kommt, wie man seinen Journalismus und sein Geschäftsmodell so weiterentwickeln kann, dass es tragfähig ist. Die Erwartung war, dass es das ganze Jahr vorwärts geht, und dass man einen unmittelbaren Nutzen für das eigene Unternehmen hat. Das hat sich als berechtigte Erwartung herausgestellt.

An ihrer TSE-Runde haben insgesamt 24 Verlage teilgenommen, darunter deutsche Titel, französische Zeitungen oder englischsprachige. War der Austausch mit allen gleich fruchtbar? Oder haben Sie von bestimmten Kontakten besonders profitiert?

Man hat sicher nicht zu allen Medien den gleichen Bezug. Aber ich will auch nicht sagen, dass für ein österreichisches Medienhaus nur der deutschsprachige Markt interessant ist. Es ist eher eine Frage, ob das andere Medienhaus sich in einer ähnlichen Phase befindet oder die gleichen Fragestellungen bearbeitet. Wir haben zum Beispiel einen sehr fruchtbaren Austausch mit dem Nordkurier aus Mecklenburg gehabt, aber uns auch mit einer sehr kleinen französischsprachigen Tageszeitung aus der Schweiz unterhalten. Wir hatten sogar ein Online-Meeting mit einer schottischen Zeitung, die eigentlich Teilnehmer des vorjährigen Programms war. Das hat unser Coach vermittelt.

Wenn Sie sagen, dass es besonders lohnend ist, sich mit anderen Zeitungen auszutauschen, die in einer ähnlichen Phase sind oder die gleichen Fragestellungen bearbeiten: in welcher Phase war denn die Tiroler Tageszeitung, als sie sich entschieden hat, an Table Stakes teilzunehmen?

Was uns bei Table Stakes sehr geholfen hat, das war, dass die grundsätzliche Entscheidung auf das Thema Digital Subscriptions zu setzen, schon gefallen war. Wir mussten also im Haus nicht erst Werbung dafür machen, dass es sinnvoll wäre, sich in diese Richtung zu orientieren. Das Bewusstsein dafür war schon da, und damit sind wir mit viel Schwung in dieses Projekt gestartet.

Der konkrete Stand im September letzten Jahres, zu Beginn der aktuellen Runde von Table Stakes, war, dass wir noch keine Paywall hatten. Wir hatten nur eine relativ komplizierte Log-Wall. Man musste sich registrieren, um bestimmte Artikel lesen zu können. Jetzt, seit 1. März, haben wir ein Freemium-Modell. Ein großer Teil der Artikel ist frei, aber ein beträchtlicher Teil ist auch hinter der Paywall. Das sind tt.com plus-Artikel. Um diese lesen zu können, braucht man mindestens unser tt.com-plus Abo um 4,90 € monatlich, also ein sehr günstiger Preis, den wir im Rahmen von Table Stakes durchaus auch diskutiert haben. Damit haben wir seit dem 1. März rund 1.500 Abonnenten gewonnen, alles wirklich erstmals bezahlende User. Diese Zahl wollen wir bis Ende des Jahres mindestens verdoppeln.

Von der Paywall abgesehen, was waren die Projekte, die Sie im Rahmen von Table Stakes in Angriff genommen haben?

Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Denn viele Projekte haben wir vielleicht nicht wegen Table Stakes gestartet, aber sie wurden durch Table Stakes stark beeinflusst. Wir haben begonnen, den Mini-Publisher-Ansatz zu leben, also die Idee, cross-funktionale, interdisziplinäre Teams zu bilden, die eine Art von Verleger-Verantwortung übernehmen. Bei unserem Newsletter TT am Morgen, der nicht gratis ist, sondern nur an bezahlende Abonnenten versendet wird, haben wir den Mini-Publisher-Gedanken von Anfang an zum Tragen kommen lassen. Das war ein Projekt, das wir schon vor Table Stakes vor Augen hatten, das wir aber im Rahmen von Table Stakes umgesetzt haben. Und das mit mittlerweile knapp 10.000 Beziehern sehr erfolgreich ist.

Was ist für Sie bei Table Stakes noch von besonderer Bedeutung?

Mir liegt das Konzept der 'Audiences' noch sehr am Herzen. Das ist etwas, was Doug Smith sehr stark propagiert. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass man als Zeitung heute – egal ob Online oder Print – nicht einfach für eine riesige Masse, in unserem Fall alle Tiroler, eine Zeitung macht, sondern dass es sehr spezielle Zielgruppen gibt. Zum Beispiel Outdoorbegeisterte, die gerne unsere Touren-Tipps lesen. Oder Leute, die sich für einen bestimmten Fußballverein begeistern. Leute, die gerne kochen. Oder junge Eltern.

Welche Audiences haben Sie denn für sich entdeckt?

Auch wenn wir schon vor Table Stakes natürlich auch über Kulinarik und Kochen berichtet haben, nun haben wir zum Beispiel einen eigenen Newsletter für Leute, die gerne selber kochen. Der heißt 'Gaumenfreuden'. Das ist ein wöchentliches Newsletterformat, wo wir versuchen, eine gewisse Inspiration zu liefern, eine gewisse Community aufzubauen. Es ist eine Herausforderung, sich aus der Masse der Kochrezepte im Internet abzuheben. Wir machen das, indem wir Blogger oder Köche aus der Region Tirol zu Wort kommen lassen. Wir verschicken nicht einfach drei Rezepte, sondern wir versuchen interessante Menschen aus der Region mit einzubinden.

 
Markus Schöberl